Corona Wochen: Fastentage, das tapfere Schneiderlein, Höhlenmalereien, der fliegende Teppich und leichte Mädchen auf schnellen Schiffen

Vorweg: Uns geht es gut! Vielen Dank für all die besorgten Nachfragen. Schön, dass Ihr an uns denkt!

Corona hat Portugal fest im Griff und die schlechten Nachrichten in Portugal hören nicht auf – wie wahrscheinlich viele von Euch schon aus dem deutschen Fernsehen gehört haben.

* Die Inzidenz ist 8 mal so hoch wie in Deutschland

* Triage in den Krankenhäusern

* Englische Mutation wird zur vorherrschenden Variante

* Kälte und Hunger werden wieder zum Thema in Teilen der Bevölkerung

Wir sind wegen des Wetters noch immer im Hafen von Portimao. Wir wissen um das, was um uns herum passiert und haben selbst mehr als zwei Wochen das Schiff praktisch nicht mehr verlassen. Lediglich unsere Joggingrunden drehen wir alleine auf völlig verlassenen Straßen. Die Promenaden und Strände sind gesperrt und entsprechend menschenleer. Insofern kommt uns unsere BigFoot nicht als Gefängnis vor. Vielmehr empfinden wir das Schiff derzeit wie eine Festung.

Glücklicherweise sind wir Zwei auf engem Raum erprobt und kommen ziemlich gut miteinander klar (solange Hatti den Befehlen der Gattin Folge leistet).

Was treibt man dann aber den ganzen Tag im Lockdown auf 15 Quadratmetern Lebensraum?

Der Weihnachtsspeck wollte nicht verschwinden. Joggingrunden waren die reine Folter und die Angst, von Greenpeace bei Strandspaziergängen wieder in´s Wasser gerollt zu werden, omnipäsent. Aus Hatti´s Motto „Ganz oder gar nicht“ wurde mal wieder ein „Gar nichts“. 10 Tage! So lange haben wir noch nie gefastet! Es war aber auch noch nie so nötig, wie dieses Mal.

Ergebnis: 4 kg verloren, von 6 Kilometern Dahingeschleppe wurden spontan 8 Kilometer leichtes Joggen – mittlerweile sind wir bei 10 Kilometern, keine Lust mehr auf Fleisch und Alkohol (ok, bei Letzterem arbeiten wir an uns!), Blutdruck im Optimalbereich und einfach ein klasse Körpergefühl. Wir können es wirklich empfehlen! Wenn Ihr Fragen habt…wir sind mittlerweile Profis!

Während des Fastens kamen auch langersehnte Pakete an. Polsterstoff, Reißverschlüsse und andere Ersatzteile wurden nach zwei Wochen Wartezeit endlich geliefert. Eine bestellte Dieselheizung ging dagegen angeblich verloren. Mittlerweile wurde der totale Lockdown beschlossen und wir versuchten, uns die Zeit mit Handarbeiten (!!! :-)) zu vertreiben. Steffi strickte das erste Paar Socken in ihrem Leben und endlich konnten wir das Thema unserer asbach-uralt Polsterbezüge angehen. Muster dieser Stoffzeichnungen sollen sich sogar in Höhlenmalereien wiederfinden.

Hatti kramte die Nähmaschine raus und machte sich unter Steffi´s Anfeuerungsrufen an die Arbeit. Es dauerte 7 Tage à 8 Stunden (jeden Tag zwei Polster) aber das Ergebnis kann sich blicken lassen. Selbst künstlerische Spielereien trauten wir uns zu. Hatti´s Oma, deren Nähkünste uns bis zu ihrem Tod begleitet haben, wäre stolz auf uns!

Der alte Stoff war nun übrig. Welche Ehefrau kennt es nicht? „Das ist noch gut! Das geht noch! Nicht wegschmeißen!“ Es fängt bei Unterhosen an und endet bei alten Polsterbezügen! :-).

Im letzten Jahr nähten wir uns einen Bezug für unser Schlauchboot, um dieses vor UV-Strahlen zu schützen (die Weichmacher des Gummis machten sich schon bemerkbar und das Gummi fing an zu kleben). Dieser löste sich durch die UV-Belastung nun selber auf. Was liegt da also näher, als einen neuen Anzug für unser Schlauchboot aus dem alten Stoff zu nähen? Unser Freund Robert gab dem Gesamtkunstwerk dann auch den Namen „Fliegender Teppich“. Insgesamt eine Komposition, die erst auf dem zweiten Blick ihre Schönheit offenbart…manchem Kunstbanausen aber nie! Jedenfalls kann man es so bedenkenlos nach dem Anlanden am Strand liegen lassen. Potenzielle Diebe werden durch „Spontankopfschmerzen“ abgeschreckt.

Als die Polsterarbeiten durch waren, sagten wir dem Schiffsmief den Kampf an. Großputz! Dabei sahen unsere Lappen Gegenden, die nie zuvor ein Lappen gesehen hat. Mit anderen Worten: Es wurde allerhöchste Zeit. In einer großen Wohnung/Haus verteilt sich der Schmutz recht gut. Ein Schiff ist dann das im Vergleich konzentrierte Gegenteil. Uns gelingt es in der Regel recht gut, solche Sachen lange Zeit zu übersehen. Nachdem die Polster aber ein anderes Wohnklima suggerierten, kam man da nicht mehr dran vorbei. Drei Tage dauerte die ganze Putzaktion, bei der auch gleich alle Holzwände neu lasiert wurden. Nun sind wir schon wieder dabei, die nächste Putzaktion vorzubereiten ;-).

Nebenbei verfolgten wir als Segler natürlich die Segelregatta Vendée Globe. Was für eine Leistung von Boris Herrmann. Und was für eine Dramatik 90 Seemeilen vor dem Ziel! Wir haben in den Tisch gebissen, als uns die Nachricht von der Kollision mit dem Fischer erreichte. Man ist versucht, zu sagen: „erst Corona… und jetzt das!“. Es soll keine Schuldzuweisung sein, aber jeder, der an der französischen, spanischen und portugiesischen Küste bei Nacht oder, schlimmer noch, im Nebel unterwegs ist, kennt das Problem der Geisterfischer, die ihre Sendeanlagen ausschalten, um entweder illegal zu fischen oder von der Konkurrenz nicht entdeckt zu werden. Trotzdem hätten andere Systeme, wie Radar oder das neue Oscar System, welche eine große Metallfläche gut erkennen,  Alarm schlagen müssen.

Hatti hat da eine ganz eigene Theorie:  „Vergesst den ganzen Alarm Schnickschnack auf beiden Schiffen! Boris ist nach fast drei Monaten alleine auf See endlich mal wieder in den Bereich spanischer oder französischer Telefonnetze und damit Internet gekommen. Ist es da ein Wunder, dass man in Sachen Filme Streamen etwas nachzuholen hat? Man will doch schließlich wissen, wie der Film „Leichte Mädchen auf schnellen Schiffen Teil II“ zu Ende geht, nachdem er mittendrin bei Verlust des Netzes abrupt (wie gesagt vor drei !!! Monaten) unterbrochen wurde. Zu Hause bei Frau und Kind angekommen, hat man dann ja „auch nicht so die Zeit für sowas“! Da kann so ein PiepAlarmGedönse in der Hektik der Filmhandlungen schon mal untergehen. Das ist menschlich!

Dass der Kapitän des Fischtrawlers selbst dabei war, den ersten Teil zu sehen, ist aber eher dem Bereich der Verschwörungstheorien zuzuordnen! 😉

2 Gedanken zu „Corona Wochen: Fastentage, das tapfere Schneiderlein, Höhlenmalereien, der fliegende Teppich und leichte Mädchen auf schnellen Schiffen“

  1. HERRLICH ?‍♀️ Ich lese mit Wonne Eure Stories ?
    Ich weiß, ich wiederhole mich, aber der Schreibstil ist einfach klasse!
    Und natürlich die Geschichten selbst. Und ja, wir denken oft an Euch, dort in Portugal. Man kommt an den Nachrichten ja nicht vorbei, Corona is everywhere.
    Und so, wie es Euch an Bord geht, so geht es mir hier daheim auch, das ganze Haus wird auf den Kopf gestellt, was schöne Schenkungsaktionen an soziale Institutionen mit sich bringt und somit das Aussortieren richtig Freude bereitet. Und na klar, wenn grad schon mal etwas leer geräumt ist, kann man auch grad mal durchfeudeln ? Und wäre die Wandfarbe nicht ein harter Brocken im Eimer gewesen, die eine oder andere Ecke hätte ich sicherlich kurzerhand aufgehübscht ?
    Herrlich war es, als wir bis vor gut 12 Tagen noch im meterhohen Schnee mit unseren Schneeschuhen querfeldein gehen konnten – jetzt haben wir „gelben Nebel“ dank des Saharastaubes im Allgäu und nur noch Schneereste, aber zum Glück kein Hochwasser.
    So, Ihr Lieben, macht‘s gut! Bleibt gesund und passt gut auf Euch auf, aber das macht Ihr ja eh ?
    Man sieht sich ⛵️ Irgendwann, irgendwo ?
    Alles Liebe! Bettina ?‍♀️

  2. Hallo ihr Lieben,
    ich weiß gar nicht was ihr wollt?
    Das Schlauchboot ist doch erst jetzt vollkommen.
    Deutsche Präzision ?, Einfallsreichtum und Upcycling in einem ?
    Mehr geht nicht…
    Das ist jetzt ein echtes Liebhaber Stück… Gut drauf aufpassen ?
    Liebe Grüße an euch zwei ?

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