14.06.2017 Käsköppe, wir kommen!
Nach 4 Tagen Helgoland sollte schließlich der Wind nachlassen, so dass wir über eine Weiterfahrt nachdenken konnten. Wohin sollte es als Nächstes gehen? Mit dieser Frage haben wir uns intensiv einen halben Tag lang beschäftigt. Eigentlich hatten wir Norderney im Visier. Doch, wie schon erwähnt, legt man in der Nordsee das Ziel nicht einfach nach Lust und Laune fest, sondern muss viele Faktoren wie Tide, Windrichtung, Tageszeit, Schuhgröße des Hafenmeisters etc. mit berücksichtigen. Es reicht auch nicht, irgendwo HIN zu kommen, sondern man möchte ja auch irgendwie von dort wieder WEG kommen. Was für ein Sch…. Revier! Kurzum… das war uns alles zu tüddelig, schließlich befolgten wir den Rat eines Bootsnachbarn und entschieden uns, direkt nach Borkum durchzusegeln. Die Strecke ist mit knapp 80 Seemeilen zwar ziemlich weit (zumindest empfinden wir das zurzeit noch so), aber Borkum ist unter allen Wetterbedingungen, auch bei Niedrigwasser, problemlos anzusteuern. Für uns also die einfachste Alternative.
Und so hieß es wieder Wecker stellen und um 5:30 auslaufen. Kurz nachdem wir aus dem Hafen raus waren, lugte direkt neben unserem Schiff ein Seehund aus dem Wasser und wünschte uns eine gute Fahrt. Wir winkten fröhlich zurück – Tschüß Helgoland! (Jörg wird den Gedankenan Rollbraten nicht mehr los, wenn er Seehunde sieht)
Die Fahrt verlief ruhig, abgesehen von der alten Welle der letzten Tage, die noch ordentlichen Seegang verursachte. Nach ca. 4 Stunden segeln schlief der Wind ein und wir mussten den Rest der Strecke motoren. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Borkum, wo die nette Hafenmeisterin, bei der wir uns vorab telefonisch angekündigt hatten, uns persönlich in Empfang nahm. Wir machten als 3. Schiff im Päckchen (mehrerer Schiffe die nebeneinander liegen wobei nur das erste Schiff mit dem Ponton verbunden ist) am Kai fest und fielen zufrieden in die Koje.
Am darauf folgenden Tag wollte so gar nix klappen:
- Besagtes erstes Schiff wollte heute morgen um 05.00 Uhr ablegen. Nach 4 Stunden Schlaf hieß es also aufstehen, ablegen, wieder anlegen und versuchen, weiter zu schlafen.
- Das zweite Schiff wollte um 10.30 Uhr los. Danach planten wir den Tag. Um 11.30 Uhr tat sich immer noch nix! “In 20 Minuten fahren wir!” Die Pfeifen verschwanden gegen 13.00 Uhr! Ablegen und wieder anlegen.
- Jörg wollte das Hinterrad eines der Klappräder aufpumpen. Im zusammengefalteten Zustand pumpte er versehentlich das Vorderrad auf und wunderte sich, dass das Hinterrad eine halbe Stunde später platt war. Also den heilen Schlauch ausgebaut und natürlich vergeblich das Loch gesucht. Den Schlauch dämlich unprofessionell wieder eingelegt
Nach einigen Minuten auf dem Rad machte es “Peng!!!”
- Wäsche gewaschen. Mann, was riecht frische Wäsche lecker! Passt gar nicht zu dem muffigen Bootsgeruch. Ein Lotsenschiff direkt vor uns sorgte für Abhilfe und ließ vor unserer Wäsche die ganze Zeit den Diesel laufen
(und wenn man eins nicht tut, dann ist es, einem Lotsen zu sagen, er möge seine Maschine abstellen!). Geruchstechnisch passt jetzt alles wieder zusammen.
- es wurde dann 17.00 Uhr und wir hattenen von Borkum noch nix gesehen. Es zog dann auch noch dunkel auf und die Wäsche wurde eingeholt
Soweit zu Borkum…
Einen Tag später schwangen wir uns auf die Fahrräder, um Borkum zu entdecken. Als wir die Wattlandschaft bewunderten, dort wo gestern bei Flut noch das Meer zu sehen war, bemerkte Jörg zum gefühlten 50. Mal kopfschüttelnd „was für ein Sch… Revier!“. Bei Windstärke 7 radelten wir zunächst gegenan- kostenloses Fitnessprogramm. Ein gratis Wadenpeeling gab´s am Strand dazu, als uns der feine Sand um die Beine peitschte. Und Jörg hatte morgens ja sogar noch die Schlammpackung! Wellness Tag vom Feinsten! Nach einem Bummel über die Borkumer Promenade ließen wir uns von besagter Windstärke 7 in der Hälfte der Zeit zum Hafen zurück pusten und mussten dabei nur zweimal in die Pedale treten!
Am nächsten Tag segelten wir sutje nach Emden, um dort nochmal einzukaufen. Denn wer weiß schon, ob es im fremden Holland noch andere Dinge zu erwerben gibt, als Käse und Anhängerkupplungen?! Also zum nächsten Lidl geradelt und die Rucksäcke befüllt, als gäbe es kein Morgen. Ein anderer Segler verriet uns, dass der Ponton mit den sanitären Anlagen noch nicht im Hafen sei, daher würde die Übernachtung wahrscheinlich auch nichts kosten. Darüber waren wir nicht doll sauer!
Wir blieben noch einen weiteren Tag in Emden, um die Stadt zu erkunden. Das hat sich gelohnt! Mit dem Watt vor der Tür, den vielen Kanälen, die sich durch die Stadt schlängeln und hübschen Fassaden mutet alles schon sehr holländisch an. Aber es ist auch ein gefährliches Pflaster! Jörg wurde abends beim Joggen beinahe vom Auto überfahren! Da denkt man, es ist nicht so ohne nach Helgoland zu segeln, da ist man froh, dass man die 80 Seemeilen nach Borkum unbeschadet hinter sich gebracht hat – und dann wird man in einer völlig abgelegenen Wohnstraße beinahe vom Auto übergemangelt! Fazit: Joggen ist nur was für Abenteurer…. das lassen wir Schisser in Zukunft lieber sein!
Als wir uns abends beim Sonnenuntergang gerade darüber freuten, dass wir zwei Nächte kostenlos im Hafen liegen können, tönte eine nette Stimme vom Steg: „Moin! Ich bin der Hafenmeiser und möchte abkassieren!“. Och schade!!!
Nun sollte es aber endlich in den Kanal gehen. Darauf freuen wir uns schon die ganze Zeit! Durch die Schleuse bei Delfzijl traten wir in die „Standing Maastroute“ ein. Die „Stehende Mastroute“, die sich durch das holländische Küstenland zieht, kann man auch als Segler mit (wie der Name schon sagt) stehendem Mast befahren. Es gibt zwar unzählige kleine Brücken, die jedoch allesamt beweglich sind und sich für jedes herannahende Schiff öffnen und somit den Autoverkehr minutenlang zum Erliegen bringen. Als Autofahrer würden wir in Holland wahnsinnig werden, aber auf dem Boot ist es großartig, wenn alles still steht, damit wir weiter fahren können!
Die Sonne schien und die Gemütlichkeit hüpfte uns buchstäblich entgegen. Kurz hinter Delfzijl kommt der Ort Appingedam. Appingedam? Moment mal… da war doch was?! Ach ja: das Schiff unserer Freunde Sibylle und Peer, die „Skye“, wurde hier gebaut. Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist! Wir kramten den guten Whisky „Talisker Skye“, den wir von Sibylle und Peer geschenkt bekommen hatten, unter den Bodenbrettern hervor und genehmigten uns ein Schlückchen. Wir sind zwar keine Whisky-Kenner, aber wir fühlten uns ganz feierlich!
Die Fahrt durch den Kanal in der wunderschönen Landschaft ist herrlich entschleunigend! Seebeine wachsen einem hier nicht, so viel ist mal klar, aber dazu gibt es zukünftig sicherlich noch genügend Gelegenheiten. Das heiße Sommerwetter verleitete uns zu einem abkühlenden Bad im Kanal. Abwechseln ließen wir uns an einer Leine von BigFoot durch´s Wasser ziehen. Super! Als Steffi, so wie Gott sie schuf, wieder an Deck krabbelte und die Leine einholen wollte, fuhren wir just in dem Moment direkt an zwei Anglern vorbei, die 2 m entfernt am Ufer mit großen Augen saßen. Als wir vorbei waren rüsteten sie ihre Angeln um: Köder für Meerjungfrauen sind ab sofort der Renner (….-jungfrau…:-)))).
Die erste Nacht im Kanal verbrachten wir im Stadthafen von Groningen. Es ist schon eine tolle Atmosphäre: einerseits liegt man mitten in der Stadt an der Straße, andererseits tuckern gemütlich Boote vorbei, auf denen Leute ihren Feierabend-Ausflug machen oder ganze Gruppen ein maritimes Abendessen auf dem Wasser genießen.
In Groningen lernten wir ein Segler-Paar aus Hamburg kennen, das mit seiner 8-Monate alten Tochter unterwegs ist. Nach gemeinsamem Spargel-Essen verbrachten wir einen sehr netten Abend zusammen, bei dem fleißig gefachsimpelt und Tipps und Tricks ausgetauscht wurden.
Am nächsten Tag sollte Groningen unsicher gemacht werden. Vorher wollten wir aber wenigstens ein paar Dinge unserer immer noch vorhandenen To-Do-Liste abarbeiten. So musste in unserem AIS-Signal unser Rufzeichen geändert werden, weil sich dieses nach der Eintragung von BigFoot in das Seeschiffsregister geändert hat! Dies gestaltete sich natürlich für einen Nicht-Fachmann recht kompliziert. Aber nach diversen Seufzern, Flüchen, Blättern in Bedienungsanleitungen und Haare raufen hat Jörg es geschafft! So motiviert von diesem Erfolgserlebnis machte er sich daran, den Fehler bei dem Programm für die Homepage zu suchen. Nach diversen Seufzern, Flüchen, Blättern in Bedienungsanleitungen und Haare raufen konnte auch hier ein Erfolg verzeichnet werden! Nun hatten wir uns einen Stadtbummel verdient. Rauf auf die Räder und los ging´s! Zunächst einmal waren wir völlig überfordert mit der Flut der anderen Radfahrer, die außer uns noch mit einem Affenzahn unterwegs waren. Ja, Holland ist bekannt für seine Fahrradfahrer, aber wenn man so mitten drin ist, muss man sich erst einmal zurecht finden. 3 Regeln meinten wir für uns nach kurzer Zeit auszumachen: 1. Radfahrer haben immer Vorfahrt, 2. Wer stehen bleibt, hat verloren, 3. Ein Zebrastreifen dient lediglich dazu, die Straße weniger langweilig aussehen zu lassen. Er hat offenbar nicht den Zweck, den Passanten das Überqueren der Straße zu erleichtern. Nach einer Weile hatten wir dazu gelernt und traten im Zweifel beherzt in die Pedale, anstatt einem anderen Verkehrsteilnehmer auszuweichen oder gar den Vortritt zu lassen. So kamen wir ganz gut voran.
Groningen ist eine tolle Stadt! Sowohl bei den Gebäuden als auch bei den Menschen findet man eine spannende Mischung aus jung und alt, antik und modern, schlicht und verschnörkelt. Auf jeden Fall offen, bunt und fröhlich! Wir genossen das Flair und ließen uns treiben. Auf dem großen Wochenmarkt kosteten wir frittierten Kibbeling (Kabeljau) mit Remoulade. Lekker!! Den Abend verbrachten wir wieder beim netten Klönschnack mit den Hamburger Seglern.
Um weiter zu kommen, mussten wir als erstes wieder durch eine Brücke. Diese öffnete um kurz vor 12.00, allerdings nur, um ein entgegen kommendes Schiff durch zu lassen. Die Brücke wurde vor unserer Nase wieder geschlossen und der Brückenmeister rief uns zu: „Mittagspause! Um 13:00 geht es weiter!“. So gemütlich ist die Kanalfahrt durch Holland! Gemeinsam mit den Hamburgern tuckerten wir durch die Landschaft, badeten unterwegs und suchten uns für die Nacht einfach ein Plätzchen am Steg mitten im Kanal.
Auch am nächsten Tag fanden wir einen Übernachtungssteg, sogar mit Grillplatz anbei. Sofort wurde das Grillfleisch aus dem Tiefkühlfach geholt! Dann schlug jedoch das Wetter um. In Hamburg hatte es schon heftige Unwetter gegeben, bei denen sowohl Gleise als auch Schafherden von umgestürzten Bäumen getroffen wurden. Wir vertäuten das Boot, zurrten alles fest und schlossen die Luken. Dann hielten wir uns an den Händen und warteten tapfer auf das, was da kommen würde. Wir hatten Glück! Es zog zwar ein heftiges Gewitter direkt über uns weg, aber es dauerte keine 5 Minuten, bis der Spuk wieder vorbei war. Es blieb allerdings windig und kühl. Wir überlegten kurz, ob wir trotzdem den Grill anschmeißen sollen (ihr wisst schon: „Norddeutsche Griller sind härter…“ usw.), aber was sollen wir sagen? Wir Luschen haben die Pfanne bevorzugt!