Unser Jahreswechsel und Corona in Portugal

Der Jahreswechsel verlief bei uns im Hafen relativ unspektakulär. Ab 23.00 Uhr gab es eine Ausgangssperre und insofern war nix los. Vereinzelt hörte man Böller oder sah Raketen. Wir trafen uns um kurz vor 24.00 Uhr mit einigen Nachbarn auf dem Steg. Es war echt kalt und windig und nach dem Anstoßen lösten wir uns schnell wieder auf. Vorher gab´s lecker Essen und Tratsch im Treppenhaus. Mehr war aus diesem Abend nicht rauszuholen.
Ein ungewöhnliches Jahr ging zu Ende und ein neues, hoffentlich besseres Jahr nahm seinen Anfang.

Die Corona-Regeln in Portugal sind seit einiger Zeit für alle gut nachvollziehbar beschrieben, lediglich zu Feiertagen gibt es zeitweise Einzelentscheidungen.

Die Gemeinden in Portugal werden je nach Inzidenzwerten in 4 verschiedene Risikostufen eingeteilt. Mit jeder Risikostufe sind unterschiedliche Verhaltensregeln/ Ausgangssperren verbunden.
Lediglich in Gemeinden mit der höchsten Gefährdung müssen Geschäfte und Restaurants merklich früher schließen.

Wer jetzt meint, dass diese Regeln doch super liberal sind und es doch so auch gehen könnte…!? Falsch gedacht!

1. Die Feiertage machen sich nun bemerkbar
2. Das Wetter macht es dem Virus leicht, sich bei den geltenden Regeln zu verbreiten. Bis Weihnachten hatten wir Wetterverhältnisse wie im September in Norddeutschland. Das Leben spielte sich draußen ab. Seit 2 Wochen haben wir jedoch für Portugal ungewöhnlich niedrige Temperaturen. Die Innenräume der Restaurants sind voll.
3. Die Inzidenzwerte der niedrigsten Risikostufe geben bis zu 240 Neuinfektionen her. Zum Vergleich: Deutschland hatte am 07. Januar einen 7-Tage-Wert von 136 . Gesamt Portugal hat eine Inzidenz von über 400!

Ergebnis: in den letzten Tagen gab es täglich um die 10.000 Neuinfektionen. Berücksichtigt man, dass die Testquote in Portugal etwas höher als in Deutschland ist, wären das hochgerechnet in Deutschland (Bevölkerungsgröße 1:8) ca. 70.000 Neuinfektionen am Tag. Die medizinischen Intensivkapazitäten reichen bei weitem nicht an die deutschen Kapazitäten heran!

Es läuft hier also ziemlich aus dem Ruder und der totale Lockdown ist im Gespräch. Schon an diesem Wochenende gab und gibt es eine Ausgangssperre ab 13.00 Uhr.

Was bedeutet das für uns?
Wir fühlen uns auf dem Schiff im Hafen und mit unserem eigenen Verhalten relativ sicher. Wir müssen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, um uns dort in Großraumbüros mit Kollegen aufzuhalten. Wir haben keine Kinder und müssen uns nur um das Schiff kümmern. Auch wenn´s zurzeit kühlt ist, so ist das Wetter doch immer noch gut genug, um sich draußen aufhalten zu können. Als Paar kommen wir super miteinander klar, auch wenn wir kaum Kontakt zu anderen haben. Die Algarve ist noch das Gebiet mit den geringsten Inzidenzwerten.

Was wir jedoch auch im Blick haben ist, dass die englische Variante des Virus sehr wahrscheinlich dabei ist, sich hier unten schnell auszubreiten. Bei so vielen Engländern, die hier unten leben und die zu den Feiertagen viel gereist sind, ist nicht anzunehmen, dass der Kelch an uns vorbei geht. Die Gemeinde Tavira in der Algarve ist in die höchste Risikostufe gerutscht und man geht bereits davon aus, dass die englische Mutation des Virus dafür verantwortlich ist.

Außerdem sind die Lasten, die die Bevölkerung aufgrund des fehlenden Tourismus zu tragen hat, immens, denn die Tourismus-Branche ist natürlich einer der Haupt-Arbeitgeber. Und trotzdem gibt es in der Bevölkerung eine große Zustimmung für die Maßnahmen und wir nehmen in unserem Umfeld keinen Unmut wahr.

Insofern wundern wir uns immer wieder über diejenigen in Deutschland, die scheinbar in einer anderen Realität unterwegs sind, weiter über Unverhältnismäßigkeiten jammern, versuchen geltende Regeln bestmöglich für sich auszulegen und Eigenverantwortung als zu anstrengend empfinden. Welchen „Wert“ misst man einem einzelnen Menschenleben zu? Ab wie vielen Toten ist eine Maßnahme verhältnismäßig? Wie wird die Übersterblichkeit in Sachsen im Dezember von 80% wahrgenommen oder erklärt, warum kommen Krematorien in Nürnberg nicht mehr mit der Verbrennung von Leichen hinterher, wie wird die Lage in London bewertet?

Wir verstehen es einfach nicht! Vor dem Hintergrund, dass ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung nicht in der Lage ist, trotz täglich 1000 Toten (mit oder durch Corona? Bei dieser Frage bekomme ich Fußpilz), das eigene Handeln zu überdenken, macht es pessimistisch, wie die Menschheit einem schleichenden Prozess des Klimawandels begegnet, dessen Auswirkungen noch schwieriger zu verstehen und nicht täglich sichtbar sind.

Dieses und was in den USA derzeit passiert, wie die AfD in Deutschland agiert, wie Gesellschaften sich aufgrund von Geld und Egoismus spalten, Empathie und Hilfsbereitschaft den Bach runter gehen, sorgt bei uns im Moment für ein wenig Weltschmerz.

Diesmal wenig Lustiges… Trotzdem: neues Jahr, neues Glück! Das Impfen hat begonnen und der Frühling steht quasi vor der Tür! Bleiben wir optimistisch!

Ein Gedanke zu „Unser Jahreswechsel und Corona in Portugal“

  1. Euch auch ein fröhliches neues Jahr! “Weltschmerz” ist gut… Man kann das Niveau einiger “Spitzenpolitiker” mit dem Verhalten einer 5. Klasse vergleichen. Einen sind wir ja nun bald erstmal los: Nachdem bei Facebook und Twitter rausgeflogen sucht der mittelprächtige Immobilienspekulant Trump nach neuen Kanälen. Er sollte es mal mit einem WC versuchen…
    Es gibt noch Hoffnung!
    Bleibt gesund! Und nicht vergessen: Auch viel Vitamine essen, gegen Skorbut!
    Land Ho!

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