Der Fluss Guadiana: Bermuda Dreieck, sympathische Typen, knabbernde Fische, Uhrzeitenchaos und ungewollt eine Mooringboje gesetz

Wir hatten schon viel über den Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien gehört und nun befuhren wir ihn selbst zum ersten Mal: Der Guadiana!
Von Ayamonte ist er bis Alcoutim (ca. 19 Meilen) mit jedem Tiefgang schiffbar. Einzig die Brücke bei Ayamonte setzt mit ihren 18 Metern Höhe eine Grenze für Segelboote mit entsprechenden Masthöhen.

In dem Fluss gibt es Gezeiten, wodurch die Fließrichtung sich mehrmals am Tag ändert.Gegen die Gezeiten gegenan zu fahren ist dämlich, weil die Strömung recht stark ist.

Wir ankerten mit Robert und seiner „Mari-Luise“ vor Ayamonte und als die Tide für die Fahrt „nach oben“ für uns günstig war, war es früh am Morgen noch dunkel. Egal, auf in das Abenteuer Guadiana!

Das Abenteuer ließ nicht lange auf sich warten und wir steckten in dem Flusstal schnell in einer dicken Nebelsuppe fest. Nur mit dem Kartenplotter und unter Radar konnten wir auf dem Fluss navigieren. Die viel gelobte Landschaft blieb auf dieser Fahrt gänzlich im Verborgenen. Nur gelegentlich kam mal die Sonne durch und enthüllte Talhänge. Spannend war die Fahrt aber allemal. Als wir vier Stunden später in Alcoutim ankamen, hatte sich der Nebel aufgelöst.

Auf portugiesischer Seite gibt es das Städtchen Alcoutim und auf spanischer Seite befindet sich Sanlucar de Guadiana. Zwischen diesen Dörfern gibt es eine Zeitdifferenz von einer Stunde, was immer, wirklich immer zu Komplikationen bei Verabredungen führte. Auch das Glockengeläut der Kirchen, zur jeweils vollen Stunde, war gewöhnungsbedürftig. Glücklicherweise haben sich die Kirchen abgesprochen und bimmeln zeitversetzt nacheinander. Ohne diese Absprache hätte man das wohl als „Jazz“ bezeichnen können.

„Ich fahre mal eben zum Eierkauf in die Algarve!“ – „Ja, aber bring doch noch eine Flasche Rotwein aus Andalusien mit!“ – „OK, dann brauche ich aber 10 Minuten länger!“ – „Stell Dich nicht so an, ich will den leckeren Rotwein aus Andalusien!“ – „Grmpf…!“

Schnell entdeckten wir uns schon bekannte Segler, die wir in den letzten Jahren kennengelernt hatten und die hier erstmal hängengeblieben sind.

Das „Hängenbleiben“ charakterisiert den Guadiana recht gut. Man sieht (wenn es mal nicht nebelt:-)) viele Schiffe vor Anker, die schon lange nicht mehr bewegt wurden. Manche dieser Schiffe sind in einem erbärmlichen Zustand und ankern vor Flussgrundstücken, wo sich die Eigner halblegal in kleinen Hütten niederließen. Man trifft hier auf echte „Typen“ die mit ihren Lebensgeschichten Bücher füllen würden. Diese Aussteiger-Atmosphäre kann man nur genießen und in Anbetracht der vielen günstigen Wassergrundstücke, die hier zum Verkauf standen, fing es in Hatti´s Kopf wieder an zu rumoren. Hühner, Hunde, Solarpanele, Brunnenbau, Gemüsegarten…alles Dinge, mit denen „Mann“ sich im Guadiana mit einem Mal beschäftigt. Das ist wie ein Virus! „Mann“ kann da gar nichts für!

Anfang des Jahres bereits kauften sich Ursula und Alex (die wir letztes Jahr in Portimao kennenlernten) ein Grundstück am Guadiana und Ursula betreibt dort seit Neuestem einen Trans Ocean Stützpunkt (Verein zur Förderung des Hochseesegelsports). Die beiden heißen alle neuen Schiffe herzlich willkommen, helfen mit Rat und Tat und Alex steht mit viel technischem Sachverstand jedem zur Seite.
Weitere Schiffe, die wir kannten, kamen dazu und schnell ergab sich eine tolle Community.

Community ist der zweite Charakterzug des Guadiana. Ist man nicht gerade ein Anhänger von Lord Voldemort, kann man sich der Community kaum entziehen. Es gibt Treffen, Kneipenabende, Wanderungen, Sprachkurse… total nett! Kein Wunder, dass hier immer wieder Schiffe „verschwinden“ – im Bermudadreieck Guadiana.

Ab einer bestimmten Höhe im Fluss wird das Salzwasser zu Süßwasser. Das Wasser ist zwar trübe, aber sauber. Mitte Oktober waren die Tage noch so heiß, dass Baden im 20 Grad warmen Wasser immer wieder nötig war. Dabei ist eine gewisse Toleranz den eigentlichen Bewohnern des Flusses gegenüber erforderlich. Beim Einstieg über die Badeleiter kommen kleine Fische im Strömungsschatten des Körpers und knuspern einem vorsichtig am Rücken rum. Schwimmt man erst einmal, sind sie weg. Steffi hatte damit so ihre Probleme und bei jedem Einstieg wirbelte sie mit den Armen und schlug mit den Beinen um sich. Man glaubte, man hätte einen laufenden Außenborder am Heck!

Die Tage verbrachten wir mit dem Nähen eines UV-Schutzes für das neue Schlauchi, Wanderungen, Grillungen mit den anderen Seglern.
…und einer tageandauernden Reparatur des Außenborders. Hatti war ziemlich angenervt. Seit er letztes Jahr in´s Wasser fiel, hatte er ein paar Macken – ääähh, der Außenborder natürlich (der andere hat schon seit Jahren seine Macken! ??) Nach Tagen des Bastelns reduzierten sich die Fehlerquellen auf Benzinpumpe und Vergaser. Später nur noch der Vergaser! Die Tage vergingen mit „jetzt läuft er – nee doch nicht!“, „jetzt muss er aber – Mist!“ – „ich glaube ich hab´s jetzt – Oahhh Fuck!!!“.
Jedes Mal düste der Captain mit freudiger Erwartung gegen den Strom los und kam paddelnd mit dem Strom wieder zurück! Als endlich alles so hingedengelt war, dass der Motor lief, konnte Hatti den Vergaser hinterrücks, im Dunkeln und unter Wasser auseinander- und wieder zusammenbauen.

Das Ankern in einem Fluss mit Gezeiten hat besondere Herausforderungen, weil sich die Strömungsrichtung, wie gesagt, mehrmals ändert. Wechselt die Strömung, überfährt man quasi seinen Anker und liegt auf der anderen Seite. Im günstigsten Fall…
Gibt es allerdings stärkere Winde, die gegen den Strom stehen, kann sich das Schiff häufig nicht entscheiden, ob es mit dem Wind vertreibt oder sich doch eher an die Strömung hält. Es ist ein einziges Rumgeeier um den Anker herum. Hinzu kommt, dass die Schiffe sich bei diesem Geeiere nicht abzusprechen scheinen und sich recht nah kommen können. Verstehen sich Schiffe unterschiedlicher Nationen eventuell gar nicht?

Abhilfe kann ein zweiter Anker bringen, der über das Heck ausgebracht wird. Bei Bug und Heckanker soll das Schiff immer auf der Stelle im Strom bleiben…meint man! Diese Theorie ließ aber wohl einen Langkieler wie BigFoot unberücksichtigt.

Unser Heckanker ging bei ordentlich Wind gegen Strom in der Nacht auf Slip und wir lagen quer zum Strom und näherten uns langsam dem Flussufer. Ständig bimmelte unser GPS Ankeralarm. Schon wieder um 10 Meter versetzt! Wieder 5 Meter! Es half nix, raus in die Dunkelheit und den Heckanker bergen. Das ist nicht so leicht, weil wir am Heck keine Ankerwinsch haben. Wir schafften es, den Anker einige Meter einzuholen, bis er… rumms… fest saß. Nix ging mehr und der Beschlag über den die Kette lief, fing an, sich zu verbiegen. Die Kettenrolle hatte sich schon vorher aufgelöst. Es war nix zu machen, wir konnten den Anker keinen Zentimeter mehr bewegen. Frust total um 04.00 Uhr. Allerdings waren wir sicher, dass er jetzt hält und wir nicht weiter vertreiben.

Am nächsten Morgen gingen wir zusammen mit Robert das Projekt „Rettet den Anker“ gemeinsam an. Bei Niedrigwasser war man dem Anker immerhin zwei Meter näher und wir bekamen ihn tatsächlich zu Gesicht. Er hatte sich an einer ca. 22mm starken Trosse verhakt, die auf dem Grund lag und an irgendwas befestigt war.

Nun kommt der Unterschied von Wochenendseglern und Langfahrtseglern: der WE Segler würde die Trosse aushaken oder durchschneiden, um freizukommen.
Der Langfahrtsegler hebt die Trosse an, sichert sie, hakt den Anker aus ….und befestigt ein starkes Tau und einen alten Fender an der Trosse. Fertig ist die Mooring, also eine Verankerung am Grund, an der man fest machen kann, ohne den eigenen Anker zu werfen.

Natürlich ist auch hier das Setzten von Moorings genehmigungspflichtig. Aus diesem Grunde würde ich es auch eher als die Markierung einer Gefahrenstelle „unreiner Ankergrund“ bezeichnen.

Schweren Herzens verließen wir unsere kleine Gemeinschaft, weil wir Besuch erwarteten.
Martin und Silvi kamen, wie jedes Jahr, an Bord. Das bedeutet Abenteuergarantie! 🙂

3 Gedanken zu „Der Fluss Guadiana: Bermuda Dreieck, sympathische Typen, knabbernde Fische, Uhrzeitenchaos und ungewollt eine Mooringboje gesetz“

  1. Hallo ihr zwei. Bei eurer Abrrise aus Ayamonte hatte ich euch noch kurz gesehen. Bin mit meiner Möwe einen Tag vorher angekommen.
    Toll geschriebener blog.
    Sehr kurzweilig geschrieben.
    Ich liege kurz vor Alcutim in einem Mooringfeld das von Scot betrieben wird. Erst mal bis März. Vielleicht sieht man sich ja mal.
    Tina und Ewald aus Berlin

  2. Ihr Lieben, wieder mal ein toller Bericht in Wort, Bild und Ton. Vielen Dank, dass wir weiterhin an Eurem spannenden Leben teilhaben dürfen. Weiterhin ganz viel Spaß! Sabine 🙂

  3. Schöne Geschichte, wir sind leider über den Fluss Guadiana gesprungen, als wir Gäste an Bord hatten. Sie würden lieber die Atlantikküste sehen, also segelten wir immer weiter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert