Portimao: Halloween und warum wir mit dem Trinken anfingen

Nach drei Wochen im Fluss Guadiana ging es sehr früh morgens Anker auf. Neuerdings fahren wir am Heck zwei aufgeschnittene 20 Liter Kanister voll mit Sand spazieren. Grund für den Ballast sind die Orkaangriffe in dieser Gegend. Der Sand bildet im Wasser eine langsam sinkende Wolke, ist wahrscheinlich unangenehm und vor allem soll er die Kommunikation der Tiere unter Wasser stören.
Sand wäre bei uns der Anfang. Wir haben aber weitere Eskalationsstufen eingeplant und nachdem neulich wieder ein französisches Schiff nach einem Angriff gesunken ist, würden wir alles tun, um das Schiff und damit uns, zu schützen.

Auf dem Weg nach Portimao machten wir wieder für ein paar Tage in der Lagune von Faro Zwischenstation. Hier trafen wir Uwe, den wir schon aus der Werft in Olhao kannten. Nach jahrelanger Arbeit am Schiff kam er vor kurzem endlich in´s Wasser. Ohne Segelerfahrung und mit ein paar offenen Baustellen ließ die Euphorie noch auf sich warten und das Bordleben, fernab von jeglichen Strom- und Wasseranschlüssen muss sich erst einspielen. Kommt schon noch, Uwe!

Auch Ute und Manni von der „Auriga“ lernten wir nach vorherigem Facebook-Kontakt endlich persönlich kennen. Norddeutsche unter sich! Immer cool! ??

Die Gezeiten zwangen uns, wieder morgens im Dunkeln aufzubrechen und aus der figgelienschen Einfahrt von Culatra rauszufahren. An der Ausfahrt erwartete uns trotz Null Wind eine unangenehme Welle, die erst nach drei Meilen Fahrt etwas besser wurde. Auf die kompletten 37 Meilen nach Portimao hatten wir bei dem Seegang keine Lust und motorten nur 21 Meilen nach Albufeira. Hier fand zum Abend auch eine große Halloweensause statt. Wie schon vor drei Jahren hat sich die ganze Stadt zu diesem Event aufgemacht.

Nach nur einer Nacht segelten wir bei bestem Wind weiter nach Portimao.
PORTIMAO: Für uns ist das der beste Ort zum Überwintern. Platz zum Ankern ist zu dieser Jahreszeit ausreichend vorhanden und bei schlechtem Wetter motort man kurz in den nahen Yachthafen, der zudem relativ günstig ist. Tolle Strände und Küstenabschnitte, die man bewandern kann und logistisch mit allem ausgestattet. Portimao ist unser zweites Zuhause. Oder doch das Dritte/Vierte? Bei näherer Betrachtung kann man das gar nicht mehr sagen.

Weil wir schon völlig „untergrillt“ waren, trommelten wir schnell eine bunte Gesellschaft, mit uns schon bekannten Seglern und neuen Leuten, zusammen und genossen einen schönen Nachmittag an „unserem“ geliebten Headache-Beach.

Die letzten Tage verbrachten wir häufig mit Silke und Jens von der Walross2.1, die ihr Schiff eigentlich in Griechenland haben, hier aber zwei Wochen Urlaub eingeplant hatten. Wir wanderten, schliefen viel und brachten unseren portugiesischen Bankaccount wieder zum Laufen. Alte Leute vergessen schon gern mal die PIN-Nummer. Ja, auch zweimal innerhalb von drei Monaten!

Dann kam ein Tag, der uns wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Während wir gemütlich am Boot rumpuzzelten, hörten wir es plötzlich:
„TSUNAMI WARNING, TSUNAMI WARNING – A BIG WAVE IS COMING, A BIG WAVE IS COMING – GO UP TO HIGHER PLACES, GO UP TO HIGHER PLACES!“
Was aus den Lautsprechern zunächst wieder nach einer Werbung klang, entpuppte sich bei der zweiten Durchsage als Tsunami Warnung. In Portugiesisch, Englisch und Französisch wurde die Durchsage immer wieder wiederholt.

Nach zwei Sekunden Schockstarre handelten wir.
Erster Instinkt: In den „sicheren“ Hafen! Quatsch! Im Hafen ist es überhaupt nicht sicher! Zweite Überlegung: Mit dem Schiff auf See hinausfahren und so auch das Schiff retten!? Grundsätzlich richtig, aber wir hätten ausreichend tiefes Wasser erst nach 45-60 Minuten erreicht und bei der Geschwindigkeit eines Tsunami von bis zu 500 Km/h hätten wir das niemals geschafft. Nur 200 Meter von unserem Ankerplatz entfernt steht in Ferragudo eine Kirche auf einem Berg – der für uns, in dieser Situation, sicherste Platz!

Auch auf dem hinter uns liegenden Schiff brach rege Betriebsamkeit aus. Steffi packte, leicht hyperventilierend, Papiere, Portemonnaies, Schlüssel und Schuhe zusammen. Hatti steckte die komplette Ankerkettenlänge, um BigFoot die beste Chance vor Anker zu geben, lies dann das Schlauchboot in´s Wasser und lud die ersten Sachen ein… immer einen Blick zur Einfahrt des Flusses werfend, ob schon Veränderungen am Horizont zu sehen sind. Zieht sich das Wasser auch schon zurück?

Leute, ihr könnt Euch nicht vorstellen, mit welchen Gefühlen wir in´s Schlauchboot einstiegen und uns gedanklich von unserem Zuhause BigFoot verabschiedeten.

Wir warfen gerade die Leinen vom Schlauchboot los, da tönte es aus den Lautsprechern: „Warning is cancelled!“ …

Später stellte sich bei Internetrecherchen heraus, dass es ein schlecht angekündigter Test der Lautsprecheranlagen war. In der Ansage gab es kein Wort von einem Test.

Abgesehen von den ebenfalls packenden Seglern hinter uns sahen wir Leute, die maximal kurz inne hielten – mehr nicht! Die Menschen glauben an die abstrusesten Verschwörungstheorien, wenn ihnen aber ein Lautsprecher in´s Ohr brüllt: „Tsunami!!!“ – Nix! Wir sind zum Aussterben bestimmt!

Den ganzen Tag kamen wir nicht mehr zur Ruhe. Erst beim dritten Bier, mit dem wir auf unser Überleben anstießen, mischte sich zu dem Schreck auch ein nebulöses Glücksgefühl. Seitdem trinken wir! 😉

Alles in allem haben wir unserer Meinung nach gut reagiert und würden solche Durchsagen auch beim nächsten Mal ernst nehmen. Wir würden allerdings früher das Radio und den Seefunk einschalten!
UND wir würden statt nur die Coputermaus auch das Laptop einpacken. Die wichtigsten Kuscheltiere bleiben auf der Packliste!

Hintergrund:
Nur Wenige wissen, dass Portugal seismisch eine recht aktive Zone ist. Vor der Algarve stoßen die europäische und die afrikanische Platte aufeinander und 20 schwache Seebeben innerhalb von einer Woche sind nicht ungewöhnlich. An Land klimpert es hier in den Küchenschränken ab Stärke 3,5 und überall sind an den Stränden Tsunami Fluchtwege mit Schildern gekennzeichnet. 1755 wurde Lissabon von einem schweren Erdbeben zerstört und der anschließende Tsunami gab dem Wenigen, was noch stand, den Rest.

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