Wohnwagenexil 1. Woche: unheimliche Jogging-Begegnungen, Glaskugel und Chuck Norris

Zu dieser Zeit wollten wir in unserem Blog eigentlich berichten, wie wir auf dem Weg nach Portugal zu unserem Schiff in der Algarve unterwegs sind. Komisches Gefühl, weil das Schiff nun nicht nur mehr räumlich, sondern auch im Kopf weit weg ist. Egal, es ist wie es ist!

Eine Woche leben wir nun im Wohnwagenexil, um den ehemals gemeinsamen Haushalt mit Hatti´s Eltern zu trennen …und wir vermissen nichts! Wir bekommen fast ein schlechtes Gewissen, wenn wir sagen, dass wir uns pudelwohl fühlen.

Wir wachen auf, wenn der Köper sagt „Alter, jetzt reicht´s aber mal! Aufgesteht :)“. Nach dem Aufwachen bleiben wir noch liegen und hören eine Stunde lang auf NDR Info die ersten Nachrichten. In Zeitlupe decken wir den Tisch, wo wir dann mindestens 1,5 Stunden frühstücken. Zack, ist es dann meist schon 11.00 Uhr! Das alles wird uns mit einem Blick auf die Dove Elbe serviert!

Und was treibt man so?
Wir arbeiten viel im Garten und pflegen dabei auch den Kontakt zu Hatti´s Eltern und Bruder (alle leben getrennt in einem Haus). Jeder arbeitet in einer Ecke des Gartens und wenn es zu Gesprächen kommt, stehen die Paare 10 Meter auseinander – trotz der Familienzugehörigkeit.

Wir versuchen es auch mal wieder mit Sport! Leider ist die Fitness, die wir letztes Jahr aufgebaut haben, wieder futsch. Statt locker-flockig joggend, schleppen wir nun keuchend ein paar Pfunde mehr über die Deiche. Steffi geht maximal einmal die Woche für drei Haushalte einkaufen und ist damit einen ganzen Tag beschäftigt, um alles zusammen zu bekommen. Seit drei Wochen gelingt es ihr nicht mehr, die Nudel- und Klopapiervorräte der Haushalte aufzufüllen. Eine Woche wird’s noch gehen, aber dann rufen wir den Notstand aus!

Eigentlich wollten wir uns noch irgendwo ehrenamtlich engagieren, mussten aber feststellen, dass das gar nicht so einfach ist! Eine Anfrage im Wilhelmsburger Krankenhaus ergab, dass für nicht medizinisch geschultes Personal derzeit kein Bedarf besteht, insbesondere auch deshalb, weil man das Infektionsrisiko durch Unachtsamkeit, weil nicht geschult, möglichst klein halten möchte. Auch die Wilhelmsburger Tafel lehnte ab, weil man die Verteilungsprozesse umgestellt hat und nun mit dem vorhandenen Personal klar kommt. Wir haben uns in Facebookgruppen eingeloggt, die Menschen in Not helfen wollen, aber auch hier: gibt es unter den hunderten Menschen, die Hilfe anbieten, „endlich“ mal jemanden, der im eigenen Stadtteil Hilfe benötigt, ist dieser sehr schnell „vergeben“! Echt doof! Man steckt voller Energie um zu helfen, kann in diesem Sinne aber keinen Dampf ablassen!

Hatti sieht seit vier Wochen die Welt außerhalb vom Grundstück der Eltern gar nicht mehr, weil eben nur Steffi einkaufen geht. Lediglich beim Joggen und spazieren gehen, erlebt er die nähere Umgebung. An einem Tag kam er verstört vom Joggen wieder und berichtete, dass er von einer jungen Frau angesprochen wurde (bei seinem Aussehen per se nichts Ungewöhnliches – meint er ). Folgende Unterhaltung spielte sich ab:
– Sind Sie Deutscher?
– Ja!
– Ich hab da mal eine Frage: Kann man was gegen Albaner machen?
– Hähh?
– Ja, die…also…meine Nachbarn nerven mich!
– Aha!?
– Ja, die Alte…also….die Mutter, die kommen alle aus Albanien!
– Ach so!?
– Ja, die nerven!
– Wie nerv..?
– Die klopfen immer an meine Tür und sagen ich soll leiser sein und darf dies und das nicht machen!
– Was sollst Du denn nich..?
– Ja und die Alte.., ich meine… die Mutter sagt, ich soll die Finger von ihren Söhnen lassen!
– Von den Söh…?
– JA! Alter, ich steh überhaupt nicht auf Albaner! Sagen Sie doch mal…Sie haben doch Lebenserfahrung… was kann man denn da machen?

So ging es eine ganze Zeit! Hatti wollte nur nach Hause!
Corona treibt bei schönem Wetter Menschen, die ihrer sonstigen sozialen Umgebung entrissen wurden, an die frische Luft, auf die man sonst nie trifft.

Corona:
Im Vergleich zum Beginn der Krise sind wir mittlerweile vorsichtig optimistisch.
Wir haben den Eindruck, dass die Allermeisten begriffen haben, um was es geht und nur wenig Unbelehrbare zu finden sind.

Hatti´s Hoffnung: Heute am 30.03.20 ist die Anzahl der Neuinfizierten in Deutschland wieder unter die 5000 gerutscht. Damit macht die Kurve den ersten Knick. Ebenso in Italien! Die vor einer Woche eingeführten Bewegungseinschränkungen werden sich im Laufe dieser Woche in den Statistiken noch stärker bemerkbar machen und in zwei bis drei Wochen könnten die Neuinfektionen unter die 4000er Marke gedrückt werden und die Anzahl der Genesenen und der Neuinfizierten gleichen sich an. Anfang Mai könnten erste gaaanz vorsichtige Lockerungen vorgenommen werden und uns wäre es Mitte/Ende Juni, unter nachwirkenden Auflagen, wieder möglich, zum Schiff zu kommen! Im August/September könnten wir unsere Freiheit fast wieder haben und Nachholbedarfe würden sich explosionsartig Luft verschaffen und die Wirtschaft würde sich erholen. Im November/Dezember könnte es eine zweite Welle geben, der man aber geübt und eingespielt begegnet. Frühjahr 2021: der Impfstoff ist da und im Sommer nächsten Jahres ist alle vorbei! Klingt doch ganz gut oder? Soweit der optimistische Blick in die Zukunft, basierend auf einem Bauchgefühl! 🙂

Noch einmal: wir sind froh, in Deutschland zu sein. Das Gesundheitssystem, die wirtschaftliche Stärke kombiniert mit geringer Verschuldung und Entscheidungsträger, die in unseren Augen gerade einen guten Job machen… all dies sind Dinge, um die uns Briten, Amerikaner, Italiener, Franzosen, Spanier (eigentlich die ganze Welt…) derzeit wahrscheinlich beneiden. Freunde von uns haben mittlerweile ihr Schiff in der Karibik verlassen, wurden nach Deutschland geflogen und riskieren damit einen Totalverlust des Schiffes bei einem Hurrican (ohne Versicherungsschutz – siehe voriger Blogeintrag). Auch befreundete Segler auf den Kanaren „flüchten“ nach Deutschland und lassen das Boot allein zurück.

Und wenn nix mehr geht, brauchen wir halt Chuck Norris:

Überlebte Corona Wochen: 1
Nicht Überlebte Corona Wochen: 0
Fälle häuslicher Gewalt: 0
Tage mit Langerweile: 0

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