Número Identificação Fiscal oder: Stress auf portugiesisch und „Ruhig bleiben“!

Wir sind in Portugal, was ja hinlänglich bekannt ist, und da wir nicht die Schnellsten sind, haben wir vor, hier einige Zeit zu bleiben. Nun ist es in Portugal so, dass man bei vielen Einkäufen im Internet eine Steuernummer hinterlegen muss, die sog. „Número Identificação Fiscal“ oder kurz NIF.

Diese wollten wir in Oeiras beantragen. Das Amt war über Google Maps schnell gefunden, der Wecker gestellt und um kurz nach 09:00 Uhr standen wir in einem völlig überfüllten Wartesaal und zogen unsere Nummer 39. Nummer 39 hört sich zunächst gar nicht schlecht an.

Wenn man dann aber merkt, dass das Grönlandeis schneller schmilzt, der magnetische Nordpool schneller wandert, Kontinentalplatten sich zügiger bewegen, Riesenschildkröten schneller altern und selbst der Berliner Flughafen sich schneller seiner Fertigstellung entgegen bewegt als die Nummern auf der Anzeige… ja dann…, dann wird es für den Ehemann auch schon schwierig, die Gattin während der 3 Stunden Wartezeit bei Laune zu halten.

Dass das einzige Klo in dem Gebäude derzeit nicht benutzbar war, machte diese Mammutaufgabe nicht eben leichter.

Zwischenspiel: Als abzusehen war, dass es wohl „etwas“ länger dauern würde, machten wir uns auf den Weg zum nächsten Lidl, um wenigstens das Frühstück nachzuholen. In der langen Warteschlange vor der Kasse platzierte eine Portugiesin einfach ihren leeren Einkaufswagen vor uns. „Ruhig bleiben, wir sind hier Gast!“ Während der Wartezeit verließ sie mehrfach ihren Warteschlangenplatz und füllte gemütlich ihren Wagen. „Ruhig bleiben, wir…;-). Als nun die Dame an der Reihe zum Kassieren war, fehlte eben diese! „Ruhig bleiben, ….!“. Als sie dann kam, war auf dem Band kein Platz mehr für ihre zusätzlichen Artikel, weshalb sie diese zwischen unsere platzierte, die die Kassiererin dann auch anfing, auf unsere Rechnung abzurechnen! „Ruhig bleiben,…“. Nachdem alle Missverständnisse des Einkaufs ausgeräumt waren, kamen wir endlich dran – Kassenrolle leer!!! RUHIG BLEIBEN, WIR SIND HIER ZU GAST!!!

Wieder zurück im Amt: Nach über 3 Stunden Wartezeit kamen wir endlich an die Reihe! Yipeeehhh! Unser Ansprechpartner war super nett und sprach Englisch! Toll!

Schnell wurde jedoch deutlich, dass das Arbeiten auf der Tastatur mit dem Einfinger-Suchsystem stattfand und man sich über jedes einzelne „Tipp“ freuen durfte. Um die Amtsstimmung etwas aufzulockern und sich aufeinander einzugrooven, erst einmal etwas Smalltalk:

* Familiengeschichte: in Afrika geboren, sein Vater („Tipp“) jagte dort Krokodile, politische Verhältnisse in Angola, Ansehen von Deutschen („Tipp“) und Portugiesen in Angola („Tipp“)
* Biersorten („Tipp“)
* Sein Urlaub in München („Tipp“)
Nach einer halben Stunde war endlich Steffis Vorname ins System eingegeben. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass die Mittagspause bevorstand („Tipp, Tipp, Tipp“)

Steffi´s Eingaben waren fertig und ihr Dokument wurde ausgedruckt.

Oh Shit! Der Nachname wurde falsch geschrieben. Eine Korrektur war aus irgendeinem Grund nicht möglich! Man versuchte, uns diesen Grund aber wirklich ausführlich zu schildern. Die Zentrale sollte per Telefon hinzugezogen werden. In dem ganzen riesigen Büro gab es nur ein Telefon für alle Mitarbeiter. Trotz der bedeutenden Relevanz dieses Anschlusses kam man auch mit Hilfe der Zentrale nicht weiter.
Das Büro leerte sich langsam, weil die Mittagszeit nahte. Glücklicherweise hatte eine kompetente Kollegin den rettenden Einfall und die Eingaben konnten geändert werden. Zuvor wurde uns aber versucht zu erklären, warum die Eingabe nicht möglich war. Wir haben nichts verstanden! 🙂

Nun aber der Grund für sein Vertippen: Streß!!! Er hätte pro Person ja schließlich auch nur 15 Minuten Zeit und das sei einfach nicht zu schaffen. Da kommen schon einmal Vertipper zustande!

Das Büro war mittlerweile leer, alle zur Mittagspause, der Wartesaal aber immer noch gerammelt voll! Nun war Hatti an der Reihe: Vor- und Zuname, Adresse, Geburtsdatum, Nationalität und ausdrucken. In sagenhaften 3 Minuten waren seine Eingaben drin und das Dokument überreicht.

—-Mittagspause—-

Ein großes Lob an Steffi: Während der 60 Minuten am Amtstisch wechselte Ihre Stimmung zwischen „Ich lege hier gleich einen hysterischen Platzer hin“ und „Ich schmeiß mich mit Lachkrämpfen auf den Boden“. Jedes Mal, wenn wir kurz alleine am Tisch saßen, drohte eines von beiden aus ihr heraus zu platzen – sie hielt durch!

Aber: Der Angestellte war super nett! Uns wurde ohne Sprachkenntnisse bereitwillig weiter geholfen! Der Frust über nicht laufende Systeme wurde nicht bei uns abgeladen – im Gegenteil: es wurde sich mehrfach entschuldigt. Auch haben wir gesehen, dass Ältere und Mütter mit behinderten Kindern einfach so durchgingen und sofort dran kamen.

Man kann nicht anders, als die Portugiesen gern zu haben! Man muss halt nur etwas Zeit mitbringen!

Ach ja, irgendwie haben wir uns im Wartesaal unter der Klimaanlge eine Virus eingefangen, weshalb wir nun beide vor Anker in Cascais etwas flach liegen.

6 Gedanken zu „Número Identificação Fiscal oder: Stress auf portugiesisch und „Ruhig bleiben“!“

  1. …Da trifft das digitale Zeitalter auf analoge Menschen!
    Unterm Strich ist das bestellen im Internet bequem aber auch nicht gerade Klimaneutral. Vielleicht ist es dann doch entspannter ohne Steuernummer schoppen zu gehen.
    Beste Grüße von der Elbe

  2. Hey, herzlichen Glueckwunsch zur NIF und dass Steffi so tapfer durchgehalten hat!

    Ich freu’ mich echt dass ihr es schon beim ersten Anlauf gepackt habt, euch dabei unter Kontrolle zu halten. Die Portugiesen sind echte Herzchen und “man” hat ihnen die Menschlichkeit noch nicht ausgetrieben, etwas was wirklich gut tut. Auch: sie haben ein Gesetz dass Schwangere, Behinderte und Familien mit Kindern bevorzugt zu behandeln sind. Das gilt im Supermarkt und ueberall, auch wenn ich es nie richtig wahrgenommen hatte. Als ich dann nach meinem Unfall mit Kruecken und dem Einkaufswagen ein bisschen am kaempfen war oeffnete sich ploetzlich eine Gasse an der Kasse, jemand zog meine Einkaufswagen direkt an die Kasse, 4 Leute luden ihn aus, nach dem Bezahlen wieder ein, zogen ihn zu meinem Auto und alles wurde vorsichtig eingeladen. Und das mir, einem Auslaender!!!

    However, jetzt wuensch’ ich Euch erst mal gute Besserung und froehliche Genesung!

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